16. September 2005

Der Tag, der mein Leben veränderte
(von Saskias Mama)

Am Freitag, 16.09 2005, veränderte sich mein Leben auf die schrecklichste Art und Weise,
wie man es sich nur vorstellen kann.

Der Tag begann wie immer. Morgens aufstehen, Frühstück machen usw. Saski kam hoch und wir redeten über den Abend davor. Sie erzählte mir, das sie im A7 ihren Lieblingsarbeitskollegen Stephan und ihren Chef Herrn Moos getroffen habe. Das fand sie super klasse. Dann die übliche Frage:

„Mama darf ich deine Jeans anziehen?“

Natürlich durfte sie (wie immer..). Anschließend redete sie noch ihrem Papa , dann ein Abschiedskuss und „Tschüß bis heute Nachmittag“. Sie fuhr gegen 6.25 Uhr fort in Richtung Kaufungen zur Arbeit.

Ich fuhr gegen 6.35 Uhr zur Arbeit in Richtung Kassel. Auf dem Weg zur Arbeit kamen mir mit blaulicht Polizei und Krankenwagen entgegen. Mit keiner Silbe, mit keiner Ahnung (das ist für mich immer noch unvorstellbar, das ich es nicht gespürt habe) waren die auf dem Weg zu Saski zur Unfallstelle.

Um kurz nach 8.00 Uhr rief Jörg mich an und erzählte was von Vollsperrung zwischen Nieste und Kaufungen, von einem tödlichen Unfall einer 18-jährigen. Er meinte, ich sollte doch mal Saski anrufen. Das tat ich dann auch. Was ich dann zur antwort bekam lies mir das Blut in den Adern gefrieren.

„Die Saskia ist noch nicht da und sie hat sich auch noch nicht gemeldet.“

Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf: Nein, Nein bitte nicht. Das stimmt nicht. Es kann nicht wahr sein. Denn Saski war der zuverlässigste Mensch den ich kenne (kannte). Sie war immer überpünktlich und korrekt.

Ich rief Jörg zurück und er fing an bei der Polizei, Feuerwehr usw. rumzutelefonieren. Bekam jedoch keine Auskunft. Wir machten uns beide aus verschiedenen Richtungen auf den Weg zu Unfallstelle, die war jedoch zwischenzeitlich bereits geräumt worden. Über Handy erfuhr er dann, das die Polizei bei Ihm Büro eingetroffen war. Er rief mich und schrie mich an: „Saski ist tot.“ Ich solle sofort nach Lohfelden zu ihm kommen.

 

Von da an weiß ich nichts mehr. Ich weiß nicht wie ich den Weg ins Studio gefahren bin. Da waren bereits meine Eltern. Dann kam Jörg mit der Polizei und einem Notfallseelsorger. Unser Studio füllte sich plötzlich immer mehr. Meine Schwiegereltern, unsere Geschwister und Paten. Ich war wie von Sinnen, habe schreien und getobt. Der Arzt gab mir irgendwas. Und wieder tausend Gedanken in meinem Kopf. Allen voran: Mein KIND stirbt und ich habe es nicht gespürt, nichts geahnt. Was bin ich nur für eine Mutter.

Ich machte und mache mir Vorwürfe, nicht bei ihr gewesen zu sein, da wo sie mich am meisten gebraucht hätte. Ich habe nicht aufgepasst, ich habe versagt. Warum Saski? Sie war so eine tolle und wunderhübsche junge Frau. Wir sind so stolz auf sie. Sie hatte das ganze Leben noch vor sich.
Auch Saski war so stolz auf sich, sie hatte ihren Führerschein, sie hatte ihr Abitur in der Tasche, ne super Ausbildungsstelle, nen tollen Freund, viele liebe Freundinnen und super Eltern.

Daran dachte ich dauernd, und das das alles nicht stimmt, die haben sich geirrt, nicht Saski. Irgendwann fuhren wir alle nach hause zu uns. Wir aßen wie in Trance, waren geschockt und wie betäubt. Keiner konnte nen klaren Gedanken fassen. Jörg sagt auf einmal, er wolle zu Saski. Er wolle sie sehen.

Ja, sagte ich, ich auch. Nach mehreren haarsträubenden Telefonaten, hatten wir endlich die Erlaubnis in die Pathologie zu fahren. Es war eine Fahrt in die Höhle. Bis zuletzt hatte ich gehofft, die haben sich alle geirrt.

Aber nein, da lag mein KIND. Aufgebahrt in einem gläsernen Sarg und immer noch wunderhübsch. Sie sah aus, als o sie ganz fest schliefe. Und da waren Sie wieder, die Vorwürfe in meinem Kopf… Jörg und ich haben sie gestreichelt, mit ihr geredet, um sie geweint. Es war grauenvoll schön. Wir waren bei unserem geliebten KIND.

Der Rest dieses schrecklichen Tages verschwand irgendwie im Nebel.

Ich wünsch uns einen Engel
der an unserer Seite steht.
Der uns hilft zu verschmerzen
Und uns sagt dass es weiter geht.
Ich wünsche uns einen Engel
er gäbe uns die Kraft
alles zu überstehen
und Hoffnung für den Tag.
Ich wünsche uns allen ein Engel
für schwierige Zeiten,
der wird unseren Kummer tragen
und von allen Schmerz uns befreit.
Ach Du lieber Engel
breite deine Flügel aus
schützend stehst Du bei uns
tagein tagaus!
Wo Worte fehlen
Das Unbeschreibliche zu beschreiben,
wo die Augen versagen
das Unabwendbare zu sehen,
wo die Hände das Unbegreifliche nicht fassen können,
bleibt einzig die Gewissheit,
dass du in unserem Herzen weiterleben wirst
Tränen rollen, weil ich dich so vermiss.
Ich kann dich nicht mehr fühlen.
Die Fragen verblassen, „Wer du bist“
Ich kann deine Zärtlichkeit noch spüren.

Du warst ein Gottes Geschenk.
Hier auf Erden konntest du verweilen.
Wer hat die Geschicke so gelenkt?
Übrig bleiben ein paar trostvolle Zeilen.

Geheilt werden die aufgerissenen Wunden.
Mit der Zeit, so sagt man sich.
Nur sichtbar bist du für uns verschwunden.
In Gedanken denken wir noch heute an dich.

Kleiner Engel
Mein kleiner Engel, nun muss ich ohne Dich sein,
schwer ist mein Herz – schwer wie aus Stein.

Musste Dich gehen lassen und konnte nichts tun,
still und ohne Schmerz hoffe ich, kannst Du nun ruhn.

Nie werde ich Dich vergessen…
Mein kleiner Engel

Appell der verwaisten Eltern

(Text einer verwaisten Mutter)

Geht behutsam mit uns um, denn wir sind schutzlos. Die Wunde ist noch offen und weiteren Verletzungen preisgegeben. Wir haben so wenig Kraft, um Widerstand zu leisten. Gestattet uns unseren Weg, der lang sei kann.

Drängt uns nicht, so zu sein wie früher, wir können es nicht. Denkt daran, dass wir in Wandlung begriffen sind. Lasst Euch sagen, dass wir uns selbst fremd sind. Habt Geduld. Wir wissen, dass wir Bitteres in Eure Zufriedenheit streuen. Dass Euer Lachen ersterben kann, wenn Ihr unser Erschrecken seht. Dass wir Euch mit Leid konfrontieren, dass Ihr vermeiden möchtet.

Wenn wir Eure Kinder sehen, leiden wir. Wir müssen die Frage nach dem Sinn unseres Lebens stellen. Wir haben die Sicherheit verloren, in der Ihr noch lebt. Ihr haltet uns entgegen: Auch wir haben Kummer. Doch wenn wir Euch fragen, ob ihr unser Schicksal tragen möchtet, erschreckt Ihr. Aber verzeiht:

Unser Leid ist so übermächtig, dass wir oft vergessen, dass es viele Arten von Schmerz gibt. Ihr wisst vielleicht nicht, wie schwer wir unsere Gedanken sammeln können. Unsere Kinder begleiten uns. Vieles was wir hören, müssen wir auf sie beziehen. Wir hören Euch zu, aber unsere Gedanken schweifen ab. Nehmt es an, wenn wir von unseren Kindern und unserer Trauer zu sprechen beginnen. Wir tun nur das, was in uns drängt.

Wenn wir Eure Abwehr sehen, fühlen wir uns unverstanden und einsam. Lasst unsere Kinder bedeutend werden vor Euch. Teilt mit uns den Glauben an sie. Noch mehr als früher sind sie ein Teil von uns. Wenn Ihr unsere Kinder verletzt, verletzt Ihr uns. Mag sein, dass wir sie vollendeter machen, als sie es waren. Aber Fehler zuzugestehen fällt uns schwer. Zerstört nicht unser Bild. Glaubt uns: Wir brauchen es so.

Versucht Euch in uns einzufühlen. Glaubt daran, dass unsere Belastbarkeit wächst. Glaubt daran, dass wir eines Tages mit neuem Selbstverständnis leben werden. Euer Zutrauen stärkt uns auf diesem Weg. Wenn wir es geschafft haben, unser Schicksal anzunehmen, werden wir Euch freier begegnen. Jetzt aber zwingt uns nicht mit Wort und Blick, unser Unglück zu leugnen.

Wir brauchen Eure Annahme. Vergesst nicht, wir müssen so vieles von neuem lernen. Unsere Trauer hat unser Sehen und Fühlen verändert. Bleibt an unserer Seite. Lernt von uns. Für Euer eigenes Leben.